Der Ferrari unter den Künsten
Medienkunst, die zeitgenössischste aller Künste, gilt als der Ferrari unter den Künsten:
Rasant, formvollendet und elitär!
Dieser eleganten Formulierung gegenüber stehen eine Anzahl negativer Einschätzungen einer traditionell bzw. monetär orientierten Kunstwelt:
- Für den Kunstmarkt »besitze« Medienkunst im herkömmlichen Sinn kein Original, daher stelle sie eine wertlose Aktie dar, deren Deal sich in den seltensten Fällen lohne.
- Potentielle Kunstkäufer und -sammler, private wie die der öffentlichen Hand, vertreten die Meinung, dass diese Kunst umständlich zu handhaben, teuer in der Anschaffung, schnell kaputt, schwer vermittelbar und oft unverständlich wäre. Aus diesen Gründen rentierten sich hohe Investitionen nicht wirklich.
- Publikum und öffentlich rechtliches Fernsehen sind der festen Überzeugung, dass im Medium selbst, sozusagen fast »automatisch« und auf Grund des Vorhandenseins der neuesten Produktionstechnologien, Medienkunst permanent und in ausreichendem Maß »gemacht« werde.
- Für viele Kunsttheoretiker und hier trifft sich absurderweise die Elite der Kunsttheorie mit dem Geschmack der Massen, reibt sich Medienkunst in vielen Fällen scheinbar zu Nah an den Inhalten und der Optik der Massenmedien. Bei dieser fachlichen Einschätzung wird meist das komplizierte Verhältnis von Technik zu Stil verkannt und die künstlerische Möglichkeit, Kritik anhand einer feinen, ästhetisch divergierenden Stellungnahme auszudrücken, übersehen.
An diesen negativen Haltungen gilt es zu sägen.
Alleine der unterhaltende Faktor dieser speziellen Kunst, das »eye catching« wird von Ausstellungsmachern, Förderern und Politikern gerne in Anspruch genommen.
Screenings – je größer, umso besser! Interaktiv und partizipatorisch, fein!
Aber bitte die Inhalte nicht zu abstrakt, die Form nicht zu radikal und alle künsterischen Statements nur unter der Prämisse einer sozialpolitischen Brauchbarkeit.
Moderne Kunst als »Kulturflüchter« im progressiven Minirock und der Videoprojektor als naive Welterklärungs- oder pädagogische Disziplinierungsmaschine.
Dieses triste Bild der Entfremdung zwischen Kunst, Kunsttheorie und Publikum gilt es theoretisch aufzuhellen.
Medienkunst hat ihre Wurzeln im technischen Fortschritt des 19. und 20. Jahrhunderts und damit in den universellen Ansprüchen und der technischen Machbarkeit der Konzepte der Moderne, wie im Futurismus und im Dadaismus.
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Er [Tzara] verstand diese Welt, aber vor allem diese jungen Künstler schon lange nicht mehr.
Wenn er in seiner Jugend an Kunst gedacht hatte, hatte er prinzipiell in kulturpolitischen Kategorien gedacht. Er und seine Freunde hatten vor allem und immer den Anspruch gehabt die Welt verändern zu wollen. Ihr Ziel war es gewesen, das Denken aus den Angeln zu heben – ungefähr so wie Einstein und andere Wissenschaftler es mit ihren neuen Theorien exemplarisch vorgeführt hatten. Sie wollten damals die visuelle Wahrnehmung von [auch politischer] Realität auf Basis einer veränderten Darstellungstheorie revolutionieren. Der Inhalt bestimmt die Form der Darstellung und die Darstellung sollte so modern wie möglich sein und ebenfalls auf den Grundlagen der aktuellsten Erkenntnissen von Wissenschaft und Technik basierend, eine neue Kunst, ein neues Weltbild für ein neues Menschengeschlecht schaffen.
Alles anders, alles neu. Alles besser! Ach, anders eben – irgendwie zynisch, oder einfach doch nur ein anarchistisches Experiment?
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Aus: »Vasarely und die Turbulenz«. Bill Wymo 2005