Testskript

Und die Welt ist doch eine Scheibe

COM COM ©070707


Eine Handlungsdirektive in 24 Tanzschritten zu den 24 Tracks auf der aktuellen CD-Kompilation von GRAF+ZYX »TRUST NO WOMAN PLUS«, die im Sommer 2007 vom österreichischen Experimental-Musiklabel »KLANGGALERIE« herausgegeben wurde. Enthalten sind in der Zusammenstellung von Walter Robotka fast alle Titel der seit Jahren vergriffenen, 1981 bei der österreichischen RCA »Musica« in Kooperation mit der Edition Reitz erschienenen legendären LP »TRUST NO WOMAN« plus eine Auswahl aus zum Teil noch unveröffentlichten GRAF+ZYX -Produktionen aus der Zeit vor und nach dieser LP.

... und die Welt ist doch eine Scheibe – die Milchstraße sowieso, aber die ist weit weg!

[1]
1982. Das neueste technische Spielzeug, das die Wohnzimmer der westlichen Welt dominiert, heißt schlicht Commodore VC 20 und sollte der erste »Heimcomputer« mit Grafik-Chip unter 300 US-Dollar[!] werden.
Eine »Brotdose« als »Volkscomputer«! (1)

Und mit diesem neumodischen Gerät, das eigentlich mehr ein Videospielzeug als ein Arbeitsgerät darstellte, hielten auch die ersten, schier unüberwindlichen Troubles und erschreckende Erkenntnisse persönlichen Versagens in viele Haushalte der jüngeren österreichischen Generation ihren Einzug.
Nächtelanges Programmieren, mit dem simplen Ergebnis, dass sich nichts oder etwas über den Bildschirm bewegte und wenn doch – was könnte es wohl sein? Und hatte man die Hürde des Zufälligen zugunsten eines bewusst Programmierten überwunden, dann kamen sofort die nächsten Probleme. Kann ich dieses Etwas auch auf diese Floppy-Disk speichern und was ist, wenn der Strom ausfällt? Oh, Festplatte, du Fremdwort!

(1) Dieser aus Absatzschwierigkeiten geborene, amerkanische Geistesblitz wurde allerdings wegen seiner »Rechen«schwäche – 20 KByte ROM, bei einer Grundausstattung von 5 KByt RAM – synonym und mit boshaftem Seitenhieb auf kommunistische, wirtschaftlich kränkelnde Systeme hinter dem eisernen Vorhang in Österreich liebevoll auch »Volkscomputer« genannt. Zumal er »Nomen est Omen« oft, in Ermangelung verfügbarer Monitore, in trauter Gesellschaft mit einem gewissen Produkt ostdeutscher Provenienz, namens Tesla Pluto angetroffen wurde.
Diese West-Ost-Allianz war leistungsschwach, in Österreich nicht ganz einfach – durch Stückzahlbeschränkungen auf Einfuhrkontingente [!] – käuflich zu erwerben und machte seinem Spitznamen »Volkscomputer« wirklich alle Ehre. Denn bis die erste, mit BASIC programmierbare »Brotdose«, ausgepackt werden konnte, belief sich der Verkaufspreis in Östererreich, verursacht durch hohe Importzölle, einer Folge des sozialistischen Misstrauens gegenüber dem verwerflichen kapitalistischen Wunsch Luxusgüter zu besitzen[!], auf flotte 1.500,- Euro.

Diese beispielhaft, alltägliche Situation des Scheiterns, der heimliche Diskurs mit der Tücke des Objekts, wird im künstlerischen Kontext von GRAF+ZYX auf überraschende wie hintergründige Weise unter dem Titel Chipsdance (2) (03:29) von 1984 im Eröffnungstrack der neuen Kompilation Trust no Woman Plus, musikalisch abgearbeitet. Ihr persönlicher Kampf, Mensch gegen Maschine wird damit eröffnet, die Diskussion beginnt: 70 Pulsschläge gegen 50 Hertz und der VC 20 pfeift vergnügt und musikalisch zum Rhythmus der Drums.

(2) Musikvideo aus Computerlanding, 1984. Musikvideoprogramm für drei Projektoren, Tonband und Live-Performance. Erstaufführung im Rahmen der Veranstaltungsreihe Falso Loco, Steirischer Herbst 1984, Graz und beim Videofestival Orwell 84, Lubljana. 

Mit dieser musikalisch ungewöhnlichen Lagebeschreibung zur Kunst der 1980-er Jahre startet ein von Labelinhaber Walter Robotka (3) schon lange gehegtes Wunschprojekt, das in einer abwechslungsreich zusammengestellten 74-minütigen Zeitreise ins analoge bis elektronisch-digitale Österreich der beiden Medienkünstler GRAF+ZYX endet.
Von Pop bist Avantgarde, von Underground bis Kommerz reicht ihr musikalisches Spektrum und wie bei einer Achterbahnfahrt sind auch hier ein steter Wechsel und die Umwandlung von potentieller und kinetischer Energie spürbar.

Aber im Klartext: Zum Konsum dieser hyperschnellen Scheibe braucht es etwas mehr als nur den Bauch – kurze Reaktionszeiten und emotionale Flexibilität wären Vorbedingung.

(3) Walter Robotka ist mit seinem Label Klanggalerie nicht nur der Herausgeber ausgefallener experimenteller Musik, sondern pflegt darüber hinaus in seinem Bookshop Mord und Musik in Wien VII, auch seine persönliche Vorliebe zur exzentrischen, auch englischsprachigen Krimi- und Sciencefiction-Literatur.

[2]
Track zwei stammt von der 1881 erschienen ZYX-LP Trust no Woman, die Franz Manola [Die Presse Spectrum], so charakterisiert:

»... Mit Hilfe dieser wenigen Instrumente hat ZYX dort musikalisch fortgesetzt, wo Roter Rot auf der »wienmusikk«-Platte so eindrucksvoll begonnen hatte: Ein an interessanten Sounds reicher, intelligent strukturierter, abwechselnd kühl-monotoner, dann wieder witzig-funkdurchsetzter Klang zeichnet seine erste Platte aus, die »Trust No Woman« heißt, ein Titel, der selbst eines Elvis Costello würdig wäre. Vor diese Playbacks hat ZYX seine nicht minder bemerkenswerte Stimme, in der Regel stark verfremdet, gemischt: Englische Texte mit skurrilen, lustigen Einfällen,«

– und wie Manola weiter durchaus positiv, aber etwas kess formuliert:

»freilich aber auch mit arg verblasenem, pseudonihilistischem Nonsens à la mode. Alles in allem freilich für österreichische Verhältnisse ein aufregendes Debüt, trotz einiger Passagen mit Hit-Potential (mein persönlicher Tip: »Sister Green Eye«), keine leichte Kost, ...«

Sister Green Eye ist auch meine Lieblingsnummer, ist aber leider auf dieser Selektion nicht zu finden. Dafür aber Hey You [1981(04:30) ZYX], der persönliche Favorit von Walter Robotka.
Und abgesehen davon, dass diese Nummer, so wie auch Bad Manners und Get away Dark Side auf dreien der geheimnisumwitterten Flexipop-Compilations (4) permanent am Leben gehalten wird, wurde dieses Stück von GRAF+ZYX in zwei Fassungen als Musikvideo visualisiert.
Die erste Fassung (5) von 1981 wurde von ihrer seinerzeitigen Schallplattenfirma Musica [RCA Österreich] auf der Midem in Cannes veröffentlicht und in der Folge ebenfalls im ORF präsentiert.

».../day time is sad enough/under my bed only fear/take it out of my heart/...«

(4) Tribute to Flexipop 7[10], Return of Flexipop 4 [10], New Wave Complex 3[12]

(5) Das Konzept, die Aufnahmen und die erste Fassung sowie die Musik von Hey You stammen aus den Jahren 1980–1981. Wie bei allen Visualisierungen ist auch hier das gesamte Material und die Produktion von GRAF+ZYX. Fotomaterial 1887–2005, S-8- und Videomaterial 1980–1981, Grafisches Material 1980–2005, Konzept, Kamera, Darsteller, Grafik, Animation, Produktion und ©: GRAF+ZYX 1980–2005.
Musik: Komposition, Text, Arrangement, Stimme, Instrumente, Produktion und © GRAF+ZYX 1980–1981. 
 
In der Überarbeitung von 2005 mutierte Hey You konzeptuell vom Musikvideo zur »persönlichen Geschichte durch die Zeit« in Form eines authentischen »Trash-Movies«.
Die kreativste und intelligenteste Form von Second Live – im virtuellen sowie im realen Raum.
Das Video wurde 2005 in Basel für den Viper International Awards nominiert und bei verschiedenen Kunstausstellungen als Teil der Triple-Installation Der Schlaefer, die Larve, ...\unddiezeit\ präsentiert (6) und darüberhinaus auf der DVD-Sonderedition Only 2 : Zeitdrift/\Trifftrhiz (7) beim »Klanggalerie-Fest« im Szenelokal Rhiz, in Wien und im WWW »audiovisuell« veröffentlicht.

HÖREN oder SEHEN?

(6) Einzelausstellung in der Galerie Artefakt, 2005 Wien I, Gruppenausstellung Postmediale Kondition. Austria en Arco, in der Neuen Galerie am Landesmuseum Joanneum, Graz 2005 und 2006 im Centro Cultural Conde Duque - Medialab Center, Madrid sowie in der Einzelausstellung GRAF +ZYX 06 : ITWASN'TUS, in der Galerie von Fluss, NÖ.

(7) »In dem speziell für die Veranstaltung der Klanggalerie im Rhiz zusammengestellten Videoprogramm wurden Musikvideos aus Der Schlaefer, die Larve, ...\unddiezeit\ mit Teilen aus der Produktion von 2006, Vasarely und die Turbulenz zu einem halbstündigen, hybriden Mix zwischen Musikvideoclip und Experimentalvideo kombiniert. Geschickt werden aktuelle künstlerische Konstruktionen mit persönlichen Artefakten [z.b. 25 Jahre alten »authentischen Trash-Movies« aus der Vergangenheit der Künstler] verknüpft und in einer Gratwanderung zwischen »kontrolliertem Gefühl« und »hemmungslosem Intellekt« liegt der besondere Reiz dieser Produktion. Ziel ihrer Programme ist ausschließlich die Präsentation einer ästhetisierten, streng individualistischen Momentaufnahme der Künstlerpersonen mit all ihren persönlichen Ausdrucksmöglichkeiten, während die Tendenz zur Verdichtung von Raum, Zeit und Identität im Datenraum bei gleichzeitiger Betonung und massivem Einsatz von Körper, Stimme, aber auch Langsamkeit, Wiederholung und Abstraktion zu geschlossenen Systemen führt, die ihre Existenz dennoch wieder an der Grenze zur freien Konstruktion suchen.« Pressetext © tamara star|R|

[3 und 23]
Fragen dieser Art stellen sich nicht bei den Musikstücken Nummer drei und dreiundzwanzig dieser Kompilation. Denn zu I look out existieren bis jetzt keine Visualisierungen, aber die beiden kurzen Kompositionen gleichen Namens sind bereits heuer auf der bei Vinyl on Demand erschienen Schallplatte GRAF+ZYX : Early Recordings 77-83 gleich im »Viererpack« aufgetreten und wurden bei dieser Gelegenheit mit folgender Beschreibung rezensiert:

»... Und nur so zum Drüberstreuen und um über die Bedeutungslosigkeit einer europäisch humanistischen Bildung und über Ernst und Tiefe zu spotten, ein Sprung ins nächste Paralleluniversum. Track fünf [»I look out V.2.0«, 1980 (2:16)] – ein dünner Strahl eines pop-visionären Entzückens, eine mit Wah-Wah-Effekt und Schlagzeug instrumentierte, perfekt sinnlich interpretierte, sehnsuchtsvolle Liebeserklärung an die Dimensionen von Erinnerung und Verlust.

Da diese kurze Komposition gleich in vier kreativen, musikalischen Kontradiktionen aufgezeichnet ist, zeigt sie erfolgreich die Varianzbreite individueller ästhetischer Gestaltungsmöglichkeiten bei der Realisation künstlerischer Ideen auf...« [Zitat CatCode 070502]

In Drei [I look out V.1.3 (02:27) 1978] wird eine »tiefe« innere Konfusion mit dem »its so difficult« zu erwartenden Außen – »very british«, cool distanziert und fast geometrisch, in einem perfekten Zusammenspiel zwischen Stimme und sehr dominanter, akustischer Geige – musikalisch flott im 4/4-Takt [Quickstepp] exerziert.

[4]
GRAF +ZYX treiben aber nicht nur als überzeugte Vertreter der »perfekten Kunst-Konserve« mit konsequenter »Bühnen-Enthaltsamkeit« ihr Unwesen im Dunklen, sie fischen auch mit Vorliebe ganz bewusst bei ihrer Themensuche in dunklen Gründen, in den Zuständen mentaler Abwesenheit, Bewusstseinstrübung und Kontrollverlust, und das ohne dabei in Persönlichkeitsmodelle gewalttätiger Psychopaten, der Realität der täglichen Nachrichten abzudriften.

»... Ganz anders die musikalische Lösung in Track neun [Get away Dark Side, 1979 (4:42) Roter Rot]. Ein schwerfälliger, pendelnder Bass-Groove und autosuggestive Sprachformeln diktieren die schwarze, narkotisch anmutende Stimmung dieses Augenblicks und umschreiben so den Druck formloser Schattenwesen auf die Seele. Elegisch, fast in der Tradition indianischer Schamanen wird der Verlauf einer ausweglosen Traumgeschichte abgehandelt...« [Zitat CatCode 070502]

Um aber bei ihren kühnen Formulierung nicht selbst den »banalen Schilderungen ernsthafter Gefühle« zu erliegen, wechseln sie blitzschnell die Seiten, ganz locker vom Patienten zum Analytiker. Die Biografie macht's möglich. Dieser Kunstgriff des Rollenspiels, diese Doppelbödigkeit im konzeptionellen Ansatz, dieser Sprung von der inneren Betroffenheit in eine äußere, ästhetisch streng kontrollierte Reserviertheit macht es für den Rezipienten allerdings schwer, sich vorbehaltlos ins Konstrukt fallen zu lassen und so fühlt er sich letzten Endes immer wieder ertappt, psychisch gefangen im Netz einer Spinne.

Das Konzept zur ausweglos düsteren Stimmung des Musikstücks Get away Dark Side, das ebenfalls 2007 auf der vorher genannten Vinyl neu veröffentlicht und 2005 konzeptgemäß »mehrschichtig« visualisiert wurde, klingt bei ihnen so:

»Basis ist eine physikalistisch surreale Konstellation: Der Monitor als technische Apparatur wird gegen die Vorstellung des Monitors als geschlossenes Weltensystem, als Makrosystem eines magisch belebten Raums, aus dem es für die Bewohner kein Entrinnen gibt, ausgetauscht. Die Grenzen zwischen Innen und Außen sind damit definiert und gesetzt. Einzige Abwechslung für die Bewohner bietet der Blick durch das Glas. Und »outside« lauert Entsetzliches und das Auge einer wachsamen Kamera. Diese zeichnet ihrereseits interessiert die Neugierde, aber auch den Abscheu, die sich auf den Gesichtern spiegeln, auf.
Im Verlauf von 04:42 Minuten beendet die Nacht den kurzen Tag. Eine Fehlfarbencolorierung überlagert die Szene, dunkelt das Bild ab.« [GRAF+ZYX 2006]

Übertextet wird dieses obskure Setting von einem Banner, das die Geschichte der verlorenen Füße [von Souza Starfighter, 1980] schriftlich transportiert: Ein sonderbarer Vorfall, bei dem auf Grund des Verlusts nur mehr die Möglichkeit des Fliegens als Fortbewegungsmethode in Auge gefasst werden kann.
Da aber das Video, nach einem theoretischen Merksatz zum Kreisprozesses als physikalischem Modell einer »zyklischen Maschine« mit Wiederholungsqualität, »selbstreferenziell« und ganz lakonisch zweideutig in der Feststellung – 1980/voegel fliegen/es hat sich nichts geaendert/noch nicht! – endet, wird schon aus rein evolutionären Gründen aus diesem kurzen Traum des Überfliegens wohl nichts werden.

[5]
GRAF+ZYX sind Reisende jeder Richtung und begegnen dabei vielfach ihrem Selbst. Ihr Traum vom verhinderten Höhenflug führt sie direkt, in einer dreifach-eleganten Parabel, in touristische Erlebniswelten, auf eine Reise in die Südsee [1983 (03:10) GRAF+ZYX] und damit ins Wasser. Aber wie es »massen-medien-traditionell« im deutschen Sprachraum so zugeht, natürlich mit einem Traumschiff der besonderen Art. Hawaiijanisch intoniert, verlieren dabei physikalische Gesetze beim »English Walz« ihre Bedeutung und Größenverhältnisse verschieben sich zugunsten der darstellenden Gäste. Titanic ionisiert – als Spielball chemischer Gewalten – fluoreszierend blau und »Argon«-nautisch (8) in einem Meer von Leuchstoffröhren.
Wasserscheue Mitreisende dieses audio-visuellen Programms (9) für Tonband, 3 Filmprojektoren und Videobeamer: Tiger, Goldmund, Lu Rid [König des Universums] und Mister Spok.

(8) Die Leuchtstoffröhre ist eine Niederdruck-Gasentladungslampe, die innen mit einem fluoreszierenden Leuchtstoff beschichtet ist. Als Gasfüllung dient Quecksilberdampf (Emission von Ultraviolettstrahlung) und zusätzlich meist Argon. Die Ultraviolettstrahlung wird von der Leuchtstoff-Beschichtung in sichtbares Licht umgewandelt (siehe Spektrum weiter unten). Wikipedia
Argonauten nennt man in der griechischen Sage die Teilnehmer der Fahrt nach Kolchis am Schwarzen Meer. Sie sollten das von Phrixos nach Kolchis gebrachte Goldene Vlies wieder nach Griechenland holen. mythologica.de 

(9) Reise in die Südsee ist ein Kapitel aus GRAF+ZYX : MUSEUM OF PRIVATE ARTS Vol. 1U4, 1984. Dieses Film/Video-Musikprogramm in 8 Kapiteln, mit einer Gesamtdauer von 43:28 Minuten, wurde von Peter Pakesch 1984 im Szenelokal U4, Wien, präsentiert. Als Disc-She-Jockey fungierte Susanne Widl. Fest-Kleidung war GRAU. Grita Insam formulierte im Text zur Einladung: »GRAF+ZYX hinterfragen im Kontext Kunst die Ästhetik ihres designten All-Tags. / Erregend und schockierend. / Sie entziehen sich weitgehend den Normen des Kunstbetriebes. / Im Disco-Ambiente unterhalten sie eine Nacht lang das MUSEUM PRIVATER KÜNSTE.«

[6]
Extra ist extra kurz und springt 1984 als imperialistischer 20-Sekunden Werbespot (10), extra leicht bekleidet bei Millionen von Taiwanesen aus dem Fernsehgerät und ist nicht die einzige Musik von GRAF+ZYX für die Werbung.

(10) In Zusammenarbeit mit Manfred Lang/Adi-Mayer-Film und Triumph International.

[7]
Get away Wisdom [1981 (3,40) ZYX], in der Visualisierung von 1981 auf S-8 Material, ist ein Spiel mit hohen Kontrasten. Aus dem »white cube«, dem leeren Raum der Kunst, wird mit einigen Handgriffen und einigen Flächen in der Unfarbe Schwarz eine minimalistische Inszenierung, ein Rollenspiel der besonderen Art.
Streifen tanzen, Augen rollen, Ziffern leben – schachmatt!
Das Motiv der elektronischen Rückkoppelung wird bei ihnen nicht wie allgemein üblich rein technisch und durch einfaches abfilmen des Monitors erzeugt, sondern wird intellektuell-räumlich, grafisch übersetzt. Diese ästhetische und damit persönliche Formulierung auch einer nur »technischen« Idee ist für GRAF+ZYX immer noch wichtiger als der »nackte« technische Trick dahinter. Ihr Markenzeichen, Technologie witzig und intelligent anzuwenden und auszubeuten, ohne dass diese Technik selbstständig und ungefragt »Kunst simuliert«, denn: »Niemals kann ein technischer Vorgang eine Konstante bei der Produktion von Kunst darstellen, sei er auch noch so zufallsgesteuert.« [Der Automat als Künstler des Jahres . G+Z, 1986]
 
Die Spieler eines Spiels sind selbst Figuren eines untergeordneten Spiels. Eine kleine, kompliziert verschachtelte Welt mit Aussicht auf Unendlichkeit entsteht so vor und hinter dem Objektiv:

»GRAF+ZYX spielen Schach. Zur Musik von GRAF+ZYX, die von GRAF+ZYX selbst komponiert, getextet, arrangiert, gespielt, gesungen und produziert wurde.
Während GRAF+ZYX selbst schachgespielt werden. In einer Inszenierung von GRAF+ZYX.
In einer Ausstattung, die von GRAF+ZYX selbst entworfen, gestaltet und realisiert wurde.
GRAF+ZYX filmen sich selbst, eben während dieses besagten simulierten Schachspiels, mit der Zukunftsperspektive, das Gefilmte auch noch mit grafischem Material, das von GRAF+ZYX fotografiert, entwickelt, vergrößert, gezeichnet und animiert wurde, auf den Rhythmus von GRAF+ZYX zu schneiden.
Und wenn GRAF+ZYX dann vor dem Monitor sitzen und dieses Musikvideo von GRAF+ZYX lustvoll betrachten, und das in einem Ambiente, das von GRAF+ZYX selbst entworfen und gebaut wurde – wer könnte dann noch behaupten, dass virtuelle Welten und Avatare eine reine Erfindung des Internetzeitalters wären.«

Und die Musik? Distance from Outside.
Auf einem Bildschirm kreuzt eine weiße Kugel ein schwarzes Feld – invert – eine schwarze Kugel kreuzt ein weißes Feld. Karambolage. Strenge Kalkulation steuert und kontrolliert dieses Spiel.

[8]
Ganz anders und ziemlich humorlos, aber voll elektronischer Tristesse – Trust no Woman [1981 (02:51) ZYX]. Von der Couch zurück auf die Couch. Der Beat dominiert ein kurzes Stück emotionaler Interferenzen, retrograde Spiele der besonderen Verstrickungen und Verwirrungen. Eine Stimme [ZYX] paraphrasiert vorwurfsvoll konstatierend und exzellent intoniert, unterbrochen und nachgeäfft vom höhnischen Gelächter der Synthesizer den Zweifel an der Qualität persönlicher, intimer Gefühle.
Experimentelle Elektronik-Klänge mit weichen, schrägen Gesangslinien zum Thema Beziehungsfähigkeit oder ihrem genauen Gegenteil – Exzerpte wie aus einem realen Leben.
 
Vom Dschungel der Gefühle in die großen Metropolen der Macht. 

[9]
Herzo Base Exit [1986 (01:51)]. Kurztripp nach Argentinien via »good old Germany«.
Fortsetzung folgt.

TRUST NO WOMAN PLUS : GRAF+ZYX 07 - EDITION KLANGGALERIE
01 03:29 Chips Dance 1984 GRAF+ZYX
02 04:30 Hey You 1981 ZYX
03 02:27 I look out V.1.3 1978 GRAF+ZYX
04 04:42 Get away Dark Side 1979 Roter Rot
05 03:10 Reise in die Südsee 1983 GRAF+ZYX
06 00:15 Extra 1984 ZYX
07 03:38 Get away Wisdom 1981 ZYX
08 02:51 Trust no Woman 1981 ZYX
09 01:51 Herzo Base Exit 1986 GRAF+ZYX
10 04:01 Sorrow and Sadness 1977 GRAF+ZYX
11 02:49 I use You 1982 GRAF+ZYX
12 01:29 Poor Cat 1982 GRAF+ZYX
13 03:45 Flipper 1983 GRAF+ZYX
14 03:32 Jazz-Konstrukt 1983 GRAF+ZYX
15 00:24 Ö Kunsttag 1984 GRAF+ZYX
16 03:01 Mawkish 1981 ZYX
17 03:46 Bad Manners 1981 ZYX
18 03:53 Away to Freedom 1981 ZYX
19 04:00 Little Boy's Desires 1981 ZYX
20 03:06 Love Your Dog 1977 GRAF+ZYX
21 01:35 Grauer Raumtransmitter 1984 GRAF+ZYX
22 04:56 Ciao Lucia 1983 GRAF+ZYX
23 02:16 I look out V.2.0 1980 GRAF+ZYX
24 05:28 When Darkness comes 1981 ZYX

All selections written and arranged by | all vocals and instruments | recorded, mixed and mastered by | produced by | published by | GRAF+ZYX (except for 2, 7, 8, 16, 17, 18, 19, 24: published by Edition Reitz)
http://trustnowomanplus.grafzyx.at